Im Gespräch: der Autor Virgil Kane aus Aalen

Zwei Jahre Recherche und nochmal rund zwei Jahre um das Recherchierte zu Papier zu bringen. Im Sommer letzten Jahres ist der erste Roman des Autors Virgil Kane erschienen: In unseren Herzen die Welt heißt das Debut-Werk des Aaleners, der unter Pseudonym schreibt und in den letzten 25 Jahren zahlreiche – zum Teil mit Preisen ausgezeichnete – Kurzgeschichten veröffentlichte. Im Herbst war er auf der Frankfurter Buchmesse, wo er seinen Roman präsentierte; dieser schaffte es für den »Innocent Award« des Berliner Kulturmagazins »Cute&Dangerous« nominiert zu werden, was dem Buch und seinem Autor überregionale Beachtung einbrachte.

 //Sie schreiben unter dem Pseudonym Virgil Kane. Was verbirgt sich dahinter?

Der Name ist einem alten Südstaaten-Song entnommen, den die amerikanische Gruppe »The Band« 1969 erstmals veröffentlicht hat. Der Song handelt von einem Südstaatensoldaten, der in den Krieg gerät, obwohl er das gar nicht möchte. Ein Mensch, der einfach in Ruhe leben möchte, ohne den Neid oder der Missgunst der anderen ausgesetzt zu sein.

//In wie weit findet sich das im Roman wieder?

Im Roman geht es um vier Menschen, die augenscheinlich nicht alle etwas miteinander zu tun haben (Kurzinhalt siehe Infokasten). Nach und nach verweben sich alle Lebensgeschichten miteinander, beziehungsweise es stellt sich heraus, dass es bereits Verbindungen gibt. Im Laufe der Handlung verstricken sich diese Leben miteinander und es gipfelt schließlich im tragischen Tod von Viktor van Pelt. Das Fazit: Jede Entscheidung, ob bewusst oder unbewusst getroffen, hat Auswirkungen, manche direkt und manche zeitverzögert. Und damit sind wir bei der Parallele zum Südstaatensoldaten Virgil Kane, der ungewollt im Krieg landet.

//Das klingt nach existentiellen Fragen des Lebens?

Natürlich (lacht)! Die handelnden Personen stecken in ihren individuellen Leben und damit tauchen die Fragen auf, wie leben wir, auf welche Weise sind wir voneinander abhängig, was bedeutet Glück und wo liegen unsere Grenzen. Dass alle vier im Roman einen Punkt erreichen, an denen sie nicht mehr weiterkommen, ist der zentrale rote Faden, der sich durch das Buch zieht. Das können körperliche Handicaps sein, technische Unzulänglichkeiten oder einfach nur die Denkweisen, die Grenzen darstellen. Wir alle stecken irgendwo fest. In unseren Körpern, unseren Leben oder in dem Netzwerk, das um uns her entstanden ist – ob gewollt oder nicht, das spielt keine Rolle. Spannend wir es, wenn man sich dessen bewusst wird und beschließt, sich damit nicht abzufinden.

 

//Eine wesentliche Grenzerfahrung im Buch ergibt sich aus den Möglichkeiten moderner Technik, mit deren Hilfe körperliche Behinderungen überwunden werden sollen. Das klingt im Buch alles sehr plausibel, ist für den Laien gleichzeitig aber auch recht futuristisch. Wie viel Fiktion haben sie dort hineingegeben?

So genannte Exoskelette, also künstliche Skelette, in die man rein schlüpfen kann und die den Körper bei Bewegungen unterstützen, sind schon längst Realität, ebenso wie man das Gehirn so stimulieren und manipulieren kann, dass man die Illusion hat etwas ganz real zu erleben oder zu fühlen. Sich die Welt ins Bewusstsein zu holen ohne einen Schritt vor die Tür zu treten; diesen Gedanken habe ich im Buch zu Ende gedacht. Da ist ganz klar Fiktion drin. Nicht aber in der technischen Basis, die diesem Gedanken zu Grund liegt. Daraus ergibt sich die Kernaussage des Buches: Technik und alles was Menschen sonst noch hervorgebracht haben und hervorbringen werden, verblasst gegenüber der Erkenntnis, dass wir nur dieses eine Leben haben und dass dieses Leben irgendwann zu Ende sein wird. Unsere einzige Aufgabe im Leben besteht darin, glücklich zu sein und zwar so oft wie möglich.

//Um noch etwas beim Thema glücklich sein zu bleiben, Sie haben Ihr Buch als Selfpublisher veröffentlicht und sind glücklich damit...

Ich wollte das Buch genauso haben, wie es ist. Ich wollte und will unabhängig sein. Text, Layout, Cover. Niemand, der sich einmischt und mein wohldurchdachtes Konzept kürzt oder verändert. Dafür nehme ich auch den einen oder anderen Tippfehler in Kauf, der sich auf den knapp 700 Seiten sicherlich eingeschlichen hat. Aber darüber stehe ich und wer mir mitteilen möchte, dass ich ein Komma vergessen oder eines zu viel gesetzt habe, auf dessen Feedback freue ich mich auf meiner homepage. www.virgilkane.de

//Sie waren im Herbst auf der Frankfurter Buchmesse und haben dort ihr Buch vorgestellt. Man stellt sich das ziemlich aufregend vor. Wie war es denn?

Ich war ruhiger als ich dachte und die 30 Minuten gingen wie im Flug vorbei. Das ganze Drumherum im Vorfeld war aufregender als die Lesung. Klar hat man die Hoffnung, dass gerade in dem Moment, während man eine Schlüsselszene aus dem Roman vorliest ein Verleger vorbei kommt, inne hält und dann wie gefesselt lauscht aber, um es vorwegzunehmen, das ist nicht passiert. Dafür habe ich Erfahrungen gesammelt, Kontakte geknüpft und mich gefreut, dass die Stuhlreihen nicht ganz leer waren, als ich auf der Bühne stand.

 

 

//Haben Sie einen Bestseller-Autor getroffen?

Getroffen wäre zu viel gesagt, wahrgenommen trifft es eher. Sebastian Fitzek war an diesem Tag auch auf der Buchmesse. Er hatte nach mir eine Lesung, allerdings nicht in der Halle, in der ich war, sondern im großen Teehaus auf dem Messeplatz. Ich habe ihn aus der Ferne gesehen und die Menschenmassen wahrgenommen, die wegen ihm gekommen waren. Da ist mir klar geworden: Dort ist der wahre Olymp. Ich habe noch nicht einmal an der Tür gekratzt.

//Das klingt ernüchtert, aber nicht entmutigt

Mein Buch findet seine Leser, davon war ich von Anfang an überzeugt und das bewahrheitet sich auch. Ich habe die letzten Wochen einige Lesung gehabt und festgestellt, dass das die Menschen anspricht. Die letzte war in der Stadtbücherei in Aalen. Das war sehr nett und persönlich. Das werde ich ausbauen, auch weil es viel Spaß macht.

 

Zum Inhalt:

Phil verliert nach einem Zusammenbruch in einem Club sein Gedächtnis; seine Beziehung zerbricht daran, dafür kommt eine ungeahnte musikalische Begabung zu Tage. Kathy ist alleinerziehend, Rechtsanwältin und versursacht aus Sorge um ihr Kind einen Unfall mit weitreichenden Folgen. Viktor ist der Sohn aus gutem Hause, der, aus seiner persönlichen Situation heraus und aus seiner Begeisterung für Technik einen bizarren Plan verfolgt. Der vierte im Bunde ist Pete. Psychologe, schwul, begeisterter Biker, abgeklärt und dennoch überfordert, als er im Rollstuhl landet. Im Laufe des Romans verknüpfen und verweben sich die persönlichen Geschichten der vier. Viktor wird mehr und mehr zur zentralen Figur, bis die Handlung in einer Katastrophe gipfelt. Ein Sanatorium in der Schweiz brennt bis auf die Grundmauern nieder, Victor van Pelt kommt darin ums Leben.

 

Der episodenhafte Roman wechselt gekonnt Perspektiven und Erzählweisen. Es vermischen sich Thriller, Liebesgeschichte und Science Fiction. Gut recherchiert transportiert Vergil Kane den Stand der Technik in die Zukunft und denkt zu Ende, was sein könnte. Der Hauch Weltverschwörung eröffnet der Handlung Spielraum und lässt einen beispielsweise dunkle Sonnenbrillen mit anderen Augen sehen. »Im Roman sind diese Sonnenbrillen mit jeder Menge Technik ausgestattet, was vieles in der Handlung plausibel macht«, verrät Virgil Kane.