Jedes Messer ein Unikat

Vom Stahl zum selbstgeschmiedeten Damastmesser

  • Bischoff Objekt Design
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Die Flammen in der Esse leuchten orange-gelblich. Das Feuer hat noch keine 900 Grad Celsius. Was für den einen wie ein Höllenfeuer anmuten mag, lässt Thomas Bischoff relativ kalt. Für das, was der gelernte Schmied und Metallbaumeister Fachrichtung Metallgestaltung vorhat, braucht es höhere Temperaturen – viel höhere. Erst wenn die Flammen eine hellgelbe Färbung haben, sind die etwa 1250 Grad Celsius erreicht. Dann legt er das Stahlpaket in die Esse. Die Ausgangsbasis, aus der ein handgeschmiedetes Damastmesser entstehen wird. Zwei Sorten Werkzeugstahl, jeweils vier Schichten abwechselnd übereinander gepackt, liegen jetzt im Feuer. „Wenn das Stahlpaket kurz vor der Schmelze ist, wenn die Ränder wie Wunderkerzen leuchten, nehme ich es raus und dann ab unter den Lufthammer zum Schmieden." Kurz darauf sprühen die Funken. Immer wieder schlägt der Lufthammer lautstark und unerbittlich auf den glühenden Stahl nieder. Der sichtbare Entstehungsprozess zu einem handgeschmiedeten Damastmesser hat begonnen.

Aus Feuer und Stahl in handwerklicher Arbeit etwas zu erschaffen, das es nur einmal gibt und das die Zeiten überdauert – nicht nur für Thomas Bischoff immer wieder aufs Neue faszinierend. Seit geraumer Zeit bietet er deshalb Schmiedekurse für jedermann und jede Frau an, wobei sich weitaus mehr Männer als Frauen anmelden. Das unverwechselbare Muster der Klinge, der Griff aus hochwertigem europäischem Holz, scharf geschliffen und optimal in seiner Balance. Zwei Tage dauert es, bis die Kursteilnehmer ihr Messer in Händen halten können.

In der Regel findet einmal im Monat ein Schmiede-Wochenendkurs statt. Für 460 Euro ist alles inklusiv: Material, Verpflegung, dazu für die zwei Tage Schmiedehandschuhe, Gehörschutz, Lederschürze, Schutzbrille und weitere Utensilien, nicht zu vergessen die vielen einmaligen Momente und Eindrücke. „Die Teilnehmer haben schwarze Hände, es ist staubig, die Klamotten sind dreckig, der Schweiß steht einem teilweise auf der Stirn, man ist den ganzen Tag auf den Beinen und muss zudem auch noch richtig anpacken. Das ist alles andere als eine leichte und saubere Arbeit. Und trotzdem höre ich immer wieder, dass die Teilnehmer nicht mehr wissen, wann sie zuletzt so gerne zum Arbeiten gegangen sind."

Alleine aus dem Stahlblock den Messerrohling herauszuarbeiten dauert, braucht Kraft und Geschick. Den Stahl erhitzen, mit dem Lufthammer bearbeiten, zusammenklappen, wieder erhitzen und wieder unter den Lufthammer. Nach dreimal hat der Stahlblock 72 Lagen und ist bereit zur Weiterverarbeitung. „Es gibt Damastklingen, die sind aus tausenden Lagen, manches Katana, das Langschwert der Samurai, hat über 1 Millionen Lagen. Das typische Muster des wilden Damastes, das in unserem Kurs entsteht, machen wir später sichtbar, indem wir die Klinge ätzen." Es ist mit dem entsprechenden Wissen und Können sogar möglich, das Klingenmuster gezielt zu gestalten. So gibt es beispielsweise einen Torsionsdamast, Feder- oder Rosendamast.

Das eigene, selbstgeschmiedete Messer nach zwei Tagen Arbeit in Händen zu halten ist unbeschreiblich – dieses Gefühl ist nur erlebbar. Das Messer als solches ist ein Unikat und ganz nach den eigenen Wünschen angefertigt.

„Jeder darf sich das Modell aussuchen, das er gerne haben möchte. Fleischmesser, Hackmesser, Jagdmesser oder Küchenmesser. An einem Wochenende lässt sich einiges bewerkstelligen. Und wenn die Teilnehmer an ihre Grenzen kommen, bin ich ja auch noch da", relativiert Thomas Bischoff mit einem Lächeln. Seit über 25 Jahren brennt er für seinen Beruf; heute mehr denn je. Er kann an der Farbe des Stahls die Temperatur abschätzen und hört am Klang, ob die Flex am anderen Ende der Werkstatt richtig eingestellt ist. 1999 kam er von der Bodenseeregion nach Aalen-Reichenbach. Dort kaufte er mit seiner Frau ein landwirtschaftliches Anwesen und sie bauten es zu einer Schmiede um und aus. Im Schnitt hat ein Kurs sechs bis acht Teilnehmer, wenn das Wochenende das Highlight eines Junggesellenabschieds oder einer Geburtstagsfeier ist, hilft ein befreundeter Kollege aus.

Auf die Frage, ob man auch mit den sprichwörtlichen zwei linken Händen am Kurs teilnehmen kann, hat er eine klare Antwort. „Zwei linke Hände gibt es nicht. Das Geschick kommt beim Probieren und Begeisterung gleicht sowieso so manches aus." Viele Kursteilnehmer sind Wiederholungstäter. Obwohl an und für sich ein gutes Messer genügt, kann es durchaus sein, dass man dennoch zwei haben möchte oder sich vielleicht die Schwiegermutter eines zum Geburtstag wünscht. Wer sich nicht selbst an die Esse, den Lufthammer und den Amboss stellen möchte, der kann bei ihm auch eines nach Wunsch in Auftrag geben. Wer jedoch beim bloßen Schneiden einer gewöhnlichen Tomate eine unvergessliche Erinnerung haben möchte, der sollte sein Messer lieber selbst schmieden.

Kurse:
Fr, 13.01. und Sa, 14.01.23
Fr, 10.02. und Sa, 11.02.23
Fr, 24.02. und Sa, 25.02.23