Wenn Julia Weyda morgens das Haus in der Alfred-Delp-Straße 4 in Aalen betritt, geht sie zwar zur Arbeit, empfindet dabei aber weitaus mehr. „Ich kenne hier jeden Winkel. Ich bin hier aufgewachsen, am liebsten war ich im Gipsraum." Es ist das Haus ihrer Familie. Genau wie ihre Eltern und ihre Großeltern hat auch sie sich in den Dienst derjenigen gestellt, die gesundheitlich auf die eine oder andere Art eingeschränkt sind.
Die 24jährige ist Orthopädietechnikmeisterin. Vor rund eineinhalb Jahren hat sie ihre Meisterprüfung als eine von nur 80 weiteren Meisterschüler und Mitschülerinnen in ganz Deutschland abgeschlossen und ist damit in die Fußstapfen ihres Vaters Ralph Weyda getreten. Der ist seit über 25 Jahren ebenfalls Meister und leitet das Familienunternehmen Sanitätshaus Schad. Knapp 50 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen versorgen von den fünf Standorten aus Kunden in der Region. Von Bandagen, Inkontinenzprodukten, Rollatoren, Pflegebetten bis hin zu Orthesen und Prothesen jeder Art.
Entweder vor Ort im Stammhaus in der Alfred-Delp-Straße, den Filialen im Ostalb-Klinikum, im Ärztehaus West, in Bopfingen oder in Ellwangen. Gut ein Viertel der Mitarbeiter sind im Außendienst; eine Selbstverständlichkeit, so Julia Weyda. „Mein Beruf ist gleichzeitig auch meine Berufung. Ich konnte mir nie etwas anderes vorstellen. Es ist ein gutes Gefühl, Menschen zu helfen, auch wenn man nah an viel Menschlichem dran ist", erzählt sie.
Als Orthopädietechnikmeisterin hat sie sich auf Prothesen für die oberen Extremitäten, also Schulter, Ellenbogen und Hand, spezialisiert. Ihr Meisterstück war entsprechend eine Oberarmprothese. Gliedmaßen zu erhalten hat in der Medizin immer Priorität und die Erfolgsquoten der Ärzte sind gut. Dennoch gibt es viele Menschen, die auf Prothesen angewiesen sind. Die optimal zu versorgen ist das, was dem Team vom Sanitätshaus Schad am Herzen liegt. „Die Prothese ist offensichtlich und greifbar. Viel schwerer wiegt das, was man nicht sehen und greifen kann. Das Menschliche spielt eine große Rolle. Ein Bein, eine Hand oder ein anderes Körperteil zu verlieren, das ist etwas, mit dem man klar kommen muss.
Da sind wir regelmäßig als Psychologen gefragt." Dazu kommt so manche Hürde bei der Kostenübernahme. Nicht immer zahlen die Krankenkassen das, was möglich und vor allem was für den Patienten sinnvoll wäre. Dann heißt es für die Profis im Sanitätshaus: sich einsetzen. Telefonate führen, ärztliche Empfehlungen weiterleiten, nochmal telefonieren, noch einen Antrag stellen, Referenzfälle recherchieren um dann schlussendlich doch grünes Licht von der Kasse zu bekommen. „Menschen, die zu uns kommen, sind in Ausnahmesituationen. Unser Verhältnis ist in erster Linie ein professionelles. Es bleibt aber nicht aus, dass es einen dennoch berührt. Deshalb setzen wir uns ein." Ihr Lebensgefährte, der auch im Familienunternehmen arbeitet, ist ebenfalls Orthopädietechnikermeister. Sein Spezialgebiet sind die unteren Extremitäten. Ob eine Knie-, Fuß- oder Handprothese, mittels Mikroprozessor lassen sich die künstlichen Gelenke so steuern, dass man Spazierengehen oder mit einem Stift schreiben kann.
Seit Anfang 2022 unterstützt Julia Weyda ihren Vater im Unternehmen. Sie hat neue Kompetenzen miteingebracht ebenso wie sie die Räume des Stammhauses und der Filialen umgestaltet hat.
Für den Herbst hat sie sich zu einer Zusatzqualifikation zur Betriebswirtin bei der IHK Ostwürttemberg angemeldet. Ihr Ziel: Mit ihrem Vater zusammen das Unternehmen führen und ausbauen. „Die Schule war nie meines. Damit wollte ich so schnell wie möglich fertig werden. Jetzt ist das anders. Mein Beruf erfüllt und motiviert mich und da möchte ich auch noch weiter kommen." Für die Zeit nach der Ausbildung zur Betriebswirtin (IHK) hat sie sich ein Psychologiestudium vorgenommen. „In unserem Beruf haben wir sooft mit Menschen zu tun. Ich finde es einfach unglaublich, dass in der Berufsausbildung der psychologische Aspekt nicht einmal in Ansätzen stattfindet sondern gar keine Rolle spielt. Dabei haben wir viel mit Menschen in schwierigen Situationen zu tun. Deshalb hole ich das nach." Als vierte Generation im Unternehmen steht sie, mit ihrem Lebensgefährte an der Seite, bereit. Sie wird das fortführen, was ihre Urgroßeltern begonnen, an ihre Großeltern weitergegeben und ihr Vater von ihnen übernommen hat. „Ich bin die vierte Generation; im Geschäft sind wir drei Generationen. Mein Großeltern sind immer noch ab und zu da und mein Vater ist der Chef – und mein großes Vorbild."