Einmal die Welt mit den Augen einer Biene sehen, einmal die Urtiere im Boden entdecken und in Form von Martin Waldes Hallucigenia auch noch überdimensional und leuchtend – möglich in der Ausstellung GLASSHOUSE des Kunstvereins KiSS.
Wieder hat Kuratorin Heidi Hahn eine äußerst bemerkenswerte Ausstellung zusammengestellt, die Wissenschaft und Kunst kombiniert und zugleich spektakulär daherkommt. Tür auf und Auge in Auge mit Ottmar Hörls Wölfen – im Wald? Ein Haus aus Pilzen? Eine Unterwasser-Versuchsreihe? Luis Dilgers Wesen, die offensichtlich die Evolution fortschreiben oder neue Energieformen wie Malte Römers Kraftwerk zur Gewinnung von Energie durch Fußschweiß? Ein verführerisch-blauer Wasserfall, der in Müllberge endet? Die Reihe ließe sich endlos fortsetzen, von Urban Hüter über Xuan Huy Nguyeng und deren „Paradiese" bis zu Anna Bittersohl und Philpp Kummer und ihrer Rauminstallation 38 Grad. Dabei lassen sich all die Arbeiten subsummieren unter der philosophischen Frage: Was ist das da für eine Welt, in der wir leben? Dieses fein abgestimmte, zerbrechliche Glashaus, in dem eines das andere bedingt, in stetem Werden und Vergehen? Warum bilden sich Welt-all, Planeten, ausgeklügelte Ökosysteme, warum wird und müht sich das Leben seit Milliarden von Jahren, wenn alles doch irgendwann wieder verschwunden sein wird?
Dabei geht die Frage der Kuratorin weiter als alle aktuellen Fragestellungen. Entsprechend geht es nicht nur ums Hier und Jetzt, sondern um alles, von Anbeginn der Welt bis zu ihrem Ende. Mehrmals wurde das Leben auf der Erde durch Naturkatastrophen nahezu ausgelöscht. Jede dieser Vernichtungen gab einen Schub zum Neubeginn. Und da entstand, 4,5 Milliarden Jahre nach Anbeginn unseres Planeten, der Homo Sapiens. Seitdem wirft er im „Glashaus Erde" beständig mit Steinen. Und mutierte zu einem Wesen, das sich allen überlegen glaubt und doch ohne Energie und künstliche Intelligenz nicht mehr überleben kann.
Deshalb ist die Ausstellung GLASSHOUSE einerseits ein Rückblick auf den Menschen und sein Treiben, aber auch einen Ausblick auf jenes, das uns überleben wird oder noch gar nicht existiert: Kuratorin Heidi Hahn schuf aus aktuellsten Kunst-Positionen hochkarätiger zeitgenössische KünstlerInnen ein faszinierendes Gesamt-Kunstwerk, das unbedingt einen Besuch wert ist. Die Arbeiten im Detail:
Das Projekt „MY-CO-X" der TU Berlin ist ein Ausflug in die Welt der Pilze, deren Myzel Potential zum Baustoff der Zukunft hat. „Karl das Kompostaquarium", der Hochschule Aalen zeigt das sonst unsichtbare Leben im Boden.
Wo Wesen, ähnlich dem Urwurm Hallucigenia leben, den Martin Walde seit Jahren immer wieder ins Zentrum seiner Arbeit stellt. Bean Finnerans „Cones" ähneln bunten Korallenriffen, Luis Dilgers digitale Kreaturen erinnern an vergangene Formen, scheinen aber zugleich die Evolution weiterzuschreiben.
Esther van der Bie und Malte Römer fokussieren unsere aktuelle Wohn- und Lebenssituation. Römers BRUTFORCE-KASTEN dokumentiert menschlichen Forschergeist bis hin zu Krieg und Zerstörung, komplettiert durch Arbeiten von Edgar Braig und Rainer Vogt. Brankica Zilovics „LIFE" und Urban Hüters „Garden of Earthly Delights", „Tag X" oder „Journée horizontale" von Xuan Huy Nguyen stehen für das Paradies, das der Mensch stetig verändert hat, was auch malatsion in ihren Installationen nachdrücklich beschreibt. Günter Beiers und Melanie Siegels Bilder zeigen in Konstellation mit Tatjana Schülkes Objekten und Robert Frenzels kinetischen Arbeiten „menschgemachte Natur". In Heidi Hahns Rauminstallation „Be Honey Be" erhalten die Besucher Einblick in die Welt der Bienen, der Blumen und ihrer faszinierenden Kommunikation. Damit geht es, wie auch bei Katharina Gierlach oder Hiroyuki Masuyama, zurück zur Natur: Ob zu Ottmar Hörls „Wölfen" oder zu V. meers Skulpturen. Und zur Rauminstallation „36°" von Anna Bittersohl und Philipp Kummer: 36 Grad als Temperatur, bei der wir im Gleichgewicht sind mit der Welt um uns. Einer Welt, in der das Gleichgewicht allerdings verloren ging. Weil unser Hang zum „Mehr" uns an unsere „Borderline" (Werner Liebmann) gebracht hat.
GLASSHOUSE ideologisiert nicht, kategorisiert nicht, nähert sich vielmehr philosophisch jenem, das unerklärbar bleibt und doch nur auf Zeit existiert.
Ausstellung
18. März bis 30. Juli 2023
Samstag 14 – 18 Uhr
Sonntag + Feiertag 11 – 18 Uhr
Vernissage 16. März 2023, 19.30 Uhr