Im Einsatz für Ärzte ohne Grenzen

Juliane Fürst aus Hüttlingen ist Teil eines internationalen Teams

Jedes Jahr sterben rund 17 Millionen Menschen an Malaria, Tuberkulose, Cholera, Ruhr oder Gelbfieber. Infektionskrankheiten, die gut behandelbar sind. Aber: nicht alle Menschen auf der Welt haben Zugang zu medizinischer Versorgung um diese und andere Krankheiten zu bekämpfen, beziehungsweise zu sauberem Trinkwasser um diese weitestgehend zu verhindern.

Seit über 50 Jahren nimmt sich die internationale Hilfsorganisation „Ärzte ohne Grenzen" der Herausforderung an, Menschen in Kriegs- und Krisengebieten in erster Linie mit medizinischer Nothilfe zu versorgen. Zudem sorgt die unabhängige ­Or­ganisation für ausreichend sauberes Trinkwasser sowie Latrinen und leistet medizinische Aufklärungsarbeit. In insgesamt 79 Ländern sind über 3.000 Ärzte, Psychologen, Krankenschwestern, Pfleger, Hebammen und Logistiker im Einsatz. Eine von ihnen ist Juliane Fürst aus Hüttlingen.

„Ich bin keine Medizinerin, ich leite die Logistik der jeweiligen Projekte vor Ort", schickt sie voraus und beginnt zu erzählen, wie sie 2014 Teil des internationalen Teams von „Ärzte ohne Grenzen" wurde. „Ich wollte schon immer etwas wirklich Sinnvolles tun. 2005 entschloss ich mich deshalb für ein Freiwilliges Soziales Jahr in Brasilien. Als ich wieder in Deutschland war, bin ich zunächst wieder in mein altes Leben zurück. Aber es hat mich innerlich nicht losgelassen und gebiezelt, ­etwas zu verändern.

2014 habe ich mich bei Ärzte ohne Grenzen beworben und habe 2015 meinen ersten Auslandsaufenthalt in Pakistan angetreten." Ihr Vorhaben, sich während ihres Einsatzes von ihrem Arbeitgeber freistellen zu lassen scheiterte und so entschied sie sich, ins kalte Wasser zu springen.

Sie kündigte ihre Stelle als festangestellte Auftragsabwicklerin, sehr zur Verwunderung ihres Umfeldes. Während ihrer Einsätze ist sie nun bei Ärzte ohne Grenzen angestellt, in den Zeiten dazwischen lebt sie von dem, was sie verdient und angespart hat.

Zwischen ihrem ersten Einsatz und heute liegen inzwischen insgesamt acht verschiedene Projekte in sechs Ländern, jede Menge außergewöhnliche Erfahrungen inklusive. „Ich war jeweils zweimal im Jemen und im Irak, in Kenia, Afghanistan, im Süd Sudan und in Pakistan, wo alles angefangen hat." Nach dem ersten Einsatz, der in vielerlei Hinsicht vom ersten Tag an viel abverlangte, stand für sie eines fest: „Ich wollte sofort in den nächsten Einsatz. Ich habe jeden Tag etwas dazugelernt und bin über mich hinausgewachsen. Auch wenn es oft heiß und staubig ist, man täglich an seine physischen und psychischen Kräfte geht, man ständig improvisiert und es Krisen- und Kriegsgebiete sind, die nicht ganz ungefährlich sind." Als Logistikmanagerin fällt so gut wie alles, das nicht direkt mit der medizinischen Versorgung zu tun hat, in ihr Aufgabengebiet. Die Beschaffung und Lagerung von Medikamenten, Wasser und Baumaterial. Die Fahrzeugflotte inklusive der Fahrer unterstehen ihr ebenso wie die Wachleute, die Wartung von Generatoren, Fahrzeugen, medizinischer und elektrischer Geräte. Zum Anpacken gibt es keine Alternative, ebenso wenig wie Zeit zum Zögern und Zaudern. In einem ihrer letzten Einsätze gab es zum Beispiel keine Möglichkeit den Müll fachgerecht zu entsorgen, was bedeutete, sie musste mit ihrem Team einen Verbrennungsofen bauen. „Wir sind immer auf alles eingerichtet und es gibt für so gut wie alles eine Bauanleitung. So auch für einen Brennofen zur fachgerechten Müllverbrennung. Schließlich darf der Rauch weder Giftstoffe, noch andere gefährliche Stoffe enthalten."

 

Für sie und das Logistik-Team zwar nichts ganz Außergewöhnliches aber auch nichts Alltägliches. „Vor Ort ist nicht immer alles einfach und dass ich eine Frau bin, erschwert die Zusammenarbeit teilweise noch unnötigerweise. Aber ich bin es inzwischen gewohnt mich durchzusetzen und zum Schluss sind wir dann doch immer wieder alle ein gutes Team." Ihre schönsten Momente sind die, wenn Menschen geholfen werden kann. 45 Grad Hitze, sintflutartiger Dauerregen und unzählige Nächte im Zelt auf dem Boden fallen da (fast) nicht mehr ins Gewicht. „Ich habe gesehen, wie eine Frau, hochschwanger und mit einem Kleinkind an der Hand, einen Tag zu Fuß unterwegs war, um eine Impfung und Medikamente zu bekommen. Wir hatten auch schon eine Geburt im Auto, mitten auf der Strecke. Zu wissen, dass wir für diese Menschen da sind und ihnen helfen können, das gibt mir etwas und das sind für mich sehr eindrückliche Erlebnisse."

Sechs bis neun Monate dauert im Schnitt ein Auslandseinsatz, eine Zeit, in der sich mitunter auch Freundschaften bilden. „Ich habe eine Kollegin aus Ulm, die ich im Irak kennengelernt habe. Mit ihr habe ich immer noch Kontakt, ebenso wie mit dem einen oder anderen aus anderen Einsätzen." Freizeit während der Einsätze ist rar. Das mobile Fitnessstudio ist ein beliebter Ort, um abzuschalten, aber auch beim Kartenspielen oder gemeinsamen Musikhören findet man zusammen. „Highlight sind unsere Outdoor-Kinoabende", erzählt sie voller Begeisterung. „Wir brauchen nur eine Hauswand als Leinwand und dann kann es losgehen – wenn wir uns auf ­einen Film geeinigt haben, versteht sich", beendet sie den Satz und grinst. ­Juliane Fürst ist kein Typ für Heimweh, nichts desto trotz ist ihr ihr familiäres und soziales Umfeld zuhause wichtig. Im Gepäck hat sie deshalb manche Stücke, die für sie mehr als nur praktisch sind. „Ich habe eine Wasserflasche, einen Lautsprecher und noch so das eine oder andere, das ich geschenkt bekommen habe und das auf jedem Einsatz mit dabei ist.

So reisen nicht nur die Dinge, sondern in Gedanken auch die Menschen mit." Ein ständiger Begleiter ist ein kleiner Taschenengel, ein Geschenk ihre Kollegen und Kolleginnen der Firma bei der sie zuvor arbeitete.

Nach jedem Einsatz ist sie meist für rund zwei Monate wieder in Hüttlingen. Abstand bekommen, Freundschaften pflegen und Familienleben genießen. Ihr aktueller Aufenthalt zuhause fällt etwas länger aus, Grund ist ein runder Geburtstag. „Meine Mutter feiert Ende August ihren 90. Geburtstag. Außerdem mache ich mit meiner Nichte Urlaub auf Madeira, aber keinen reinen Badeurlaub. Wandern, Radfahren, etwas erleben, Nichtstun ist nicht mein Ding." Anfang September geht es wieder zu einem Einsatz, wenn sie zulange zuhause ist, wird sie nervös. Wohin es geht, weiß sie nicht, aber sie würde gerne nach Bangladesch oder Myanmar. Auf die konkrete Einteilung hat man keinen Einfluss, kann sich aber entsprechend bewerben. Im Vorfeld gibt es verschiedene ausführliche Briefings, wer sich den Anforderungen nicht gewachsen fühlt, kann ablehnen. Für einen Einsatz sollte man körperlich fit und psychisch belastbar sein, Reisebereitschaft versteht sich von selbst, ebenso wie Einsatzbereitschaft, Toleranz und als Fremdsprache mindestens Englisch, die Arbeitssprache des internat­ionalen Teams. Je mehr Sprachkenntnisse, desto besser. „Ich habe ein aus­­gefülltes Leben, weil ich etwas Sinnvolles mache. Was will man mehr?" Vom 20. bis zum 26. Juli ist sie in Deutschland für Ärzte ohne Grenzen in ­einem speziellen Einsatz. In Nürnberg findet auf dem Jakobsplatz die Freiluftausstellung „Im Einsatz mit Ärzte ohne Grenzen" statt. Zu sehen gibt es unter anderem ein aufblasbares Chirurgiezelt, das als Operationssaal dient sowie weitere Zelte in Originalgröße. Außerdem berichten MitarbeiterInnen von ihren weltweiten Einsätzen und beantworten gerne Frage. Eine von ihnen ist Juliane Fürst aus Hüttlingen.