Stephanie Vogel

Kollegin und Stammzellenspenderin

„Als ich Anfang Juli eine E-Mail erhielt, dass ich als potentielle Spenderin für Stammzellen in ­Frage komme, war ich schon etwas überrascht", erzählt Stephanie Vogel, die bei der wd mediengruppe in Aalen in der Kalkulation arbeitet und damit indirekt zum åla Team gehört. Vor über fünf Jahren hat sie sich bei der DKMS, dem Dynamic Kernel Support, was früher einmal Deutsche Knochenmarkspenderdatei hieß, typisieren und dann registrieren lassen; im Wissen, stimmen ­bestimmte Gewebemerkmale überein, könnte sie einem Menschen, der an Blutkrebs erkrankt ist, das Leben retten. Zu Blutkrebs zählen die verschiedenen Formen von Leukämie sowie weitere Erkrankungen des blutbildenden Systems unter anderem maligne Lymphome und Myelome.
Die Wahrscheinlichkeit einer solchen genetischen Übereinstimmung der Gewebemerkmale ist gering; viele sprechen deshalb von einem ­genetischen oder HLA-Zwilling. HLA steht für ­Humane Leukozyt Antigene und umfasst rund 10.000 Ausprägungen. Anhand dieser Merkmale unterscheidet der Körper zwischen eigenen und fremden Zellen. Je größer die Übereinstimmungen sind, desto geringer ist bei einer Stammzellentransplantation eine Abstoßungsreaktion.
Nach einem nochmaligen genauen Abgleich der Gewebemerkmale wurde aus dem vagen „könnte" im September ein „kann". Die Daten passten und sie kam tatsächlich als Stammzellenspenderin in Frage. „Spätestens dann wird ­einem die Ernsthaftigkeit bewusst. Da geht es um ein Menschenleben. Es gibt einen Menschen, der eine lebensbedrohliche Krankheit hat und ausgerechnet ich kann ihm helfen. Das löst schon ­etwas in einem aus." Die Chance, dass eine typisierte Person auf eine Anfrage passt, liegt derzeit bei knapp einem Prozent, dennoch konnten in den letzten 30 Jahren, seit die es die DKMS gibt, 90.000 Stammzellentransplantationen so vermittelt werden.

 

Nach Ausführlichen Informationen und einem gründlichen gesundheitlichen Checkup folgte die medikamentöse Vorbereitung für die Spende. „Viele sind der Meinung, dass es sich um Knochen­mark handelt, es geht aber um die Stammzellen, die im Knochenmark gebildet werden. Um an die heranzukommen wendet man, wie bei mir und den meisten anderen Fällen auch, die periphere Stammzellenspende an." Dafür musste sie sich fünf Tage ein Medikament unter die Haut spritzen, das die Zahl der Stammzellen im Blut vermehrt. Die DKMS wendet dieses Verfahren seit 1996 an, vorher war eine OP notwendig, bei der unter Vollnarkose Knochenmark aus dem Beckenkamm entnommen wurde. Die Blutentnahme fand in einer Klinik in Baden-Württemberg, rund 120 km von Aalen entfernt, statt. „Das kann man sich wie eine Dialyse vorstellen. Ich wurde an ein Gerät angeschlossen, das mein Blut filterte. Das Blut als solches floss über den geschlossenen Kreislauf wieder zurück in den Körper, was übrig blieb, waren die Stammzellen." Die wurden zunächst kryokonserviert, also in flüssigem Stickstoff bei -196 Grad Celsius eingefroren. Normalerweise gehen die Stammzellen direkt an den Empfänger, der zuvor eine Chemotherapie erhalten hat. Coronabedingt werden derzeit jedoch viele Spenden zunächst konserviert.

Nach fünf Stunde war für die Aalenerin alles vorbei. „Ich fühlte mich etwas schlapp, das lag aber zu einem großen Teil daran, dass meine Venen relativ eng sind, das Blut deshalb schlecht fließen konnte und es darum länger dauerte." Während für sie nach rund fünf Stunden alles zu Ende war, eröffnete sich für den Empfänger die Chance, seine lebensbedrohliche Krankheit zu besiegen. Nach einer speziellen Chemotherapie werden die Stammzellen transplaniert. Die nisten sich in den Knochenholräumen des Patienten ein und beginnen dort neue, gesunde Blutzellen zu bilden.

 

 

Empfänger und Spender bleiben füreinander anonym. Stephanie Vogel weiß nur, dass ihre Stammzellen an einen Erwachsenen in Frankreich gingen. Die Frage, ob sie mit ihrer Spende helfen konnte, beschäftigt sie. „Ich bin schon etwas neugierig. Da gibt es eine Person, die ich nicht kenne, deren genetische Merkmale aber mit meinen übereinstimmen. Durch die Spende fühle ich mich diesem Menschen in gewisser Weise verbunden und ich wünsche mir und ihm natürlich, dass er wieder gesund wird." Um erfahren zu können, wie es dem Empfänger geht, gibt es in den verschiedenen Ländern verschiedene Regelungen; in Frankreich kann man einmal den Gesundheitszustand des anderen über die DKMS abfragen. Die Frage „Wie geht es demjenigen?" beschäftigt viele Spender und Empfänger, weshalb es die Möglichkeit gibt, mit dem jeweils anderen in einen anonymen Briefkontakt zu treten. Die Briefe gehen an die DKMS, die sie dann entsprechend und immer anonym weiterleitet. Diese Möglichkeit zu nutzten kann sich Stephanie Vogel durchaus vorstellen, ebenso wie sie sich vorstellen kann, mit was für Hoffnungen ihre Stammzellenspende verbunden ist. Ob die Transplantation schließlich erfolgreich ist, kann niemand im Vorfeld sagen; es besteht immer die Gefahr, dass der Körper des Empfängers die Zellen abstößt. Zudem ist die Behandlung, bei der im direkten Vorfeld eine starke Chemo nötig ist, für den Patienten wegen der erheblichen psychischen und physischen Nebenwirkungen sehr anstrengend. Dennoch ist damit nicht nur eine große, sondern die letzte Hoffnung auf Leben verbunden. Jedem Spender ist bis zuletzt die Möglichkeit offen, seine Einwilligung zurückzuziehen, was für Stephanie Vogel allerdings nie in Frage käme. „Es geht um ein Leben und es ist schwer, einen passenden Spender zu finden. Ich hätte es mit mir einfach nicht ins Reine bekommen, wenn ich nicht gespendet hätte", erzählt sie voller Überzeugung. Dass sie durchaus Momente hatte, in denen sie unsicher war, schiebt sie auf die Tragweite der Situation, der sie sich so noch nie gegenübergesehen hat. „Ich kann nur jeden bestärken und ermutigen, sich typisieren zu ­lassen."

 

 

Ihr Engagement ist bei den Kollegen, auch über die Abteilungen hinweg, auf großes Interesse gestoßen. Einige, die noch nicht typisiert sind, haben Informationsmaterial über www.dkms.de angefordert. Die Kosten für die Typisierung, die sich auf 35 Euro belaufen, übernimmt auf Wunsch die DKMS, die diese aus Spenden finanziert, selbstzahlen und/oder Spenden sind selbstverständlich möglich. Typisieren lassen können sich alle gesunden Personen zwischen 17 und 55 Jahren. „Jeder kann helfen; außerdem weiß man nie, in welche Situation man selbst einmal kommen kann. Dann ist man froh, wenn man auf einen großen Pool potentieller Helfern zurückgreifen kann", gibt sie zu bedenken.

Die DKMS wurde 1991 gegründet und arbeitet weltweit. Derzeit sind rund 10,5 Millionen Menschen typisiert und in der Datei registriert. Rein statistisch wird alle 15 Minuten in Deutschland die Diagnose Blutkrebs gestellt. Aufgrund von Corona sind bis auf Weiteres alle Registrierungsaktionen verschoben, stattdessen gibt es online Registrierungsaktionen. Anmeldung unter www.aktion@dkms.de

Weitere Informationen unter www.dkms.de