Walzer, Disco-Fox, Lambada oder Lindy-Hop

Brigitte Rühl hat seit 35 Jahren den richtigen (Tanz)dreh raus.

„Meine Eltern führten in Frankfurt einen Handwerksbetrieb – Tanzen war da kein sonderlich dazu passendes Thema", beginnt Brigitte Rühl zu erzählen. Auf die Frage, wie ihre Eltern reagiert haben, als sie ihnen eröffnete, sie wolle Tanzlehrerin werden, lacht sie verhalten; ihr Gesichtsausdruck dabei spricht Bände. Wahrscheinlich hätten sie sich gewünscht, dass ihre Tochter nach dem Abitur einmal als Lehrerin unterrichtet oder einen akademischen Beruf ergreift. Stattdessen wollte Brigitte Rühl Tanzlehrerin werden. „Ich hatte eine große Verwandtschaft und auf jeder Hochzeit oder anderen Familienfeiern wurde getanzt. Zudem war ich bei der Landjugend engagiert und für Festumzüge war ich diejenige, die für das Einstudieren der Tänze verantwortlich war. Das blieb ich dann auch einige Jahre lang und wenn neue Mädchen und Jungs dazukamen, brachte ich ihnen alles bei, was man zum Tanzen in der Landjugend wissen und können musste. Das hat mir Spaß gemacht." Trotz aller Bedenken der Eltern machte Brigitte Rühl ihr Hobby zum Beruf und zog für die Ausbildung in den Schwarzwald. „Danach lockte es mich in die

 

weite Welt. Ich ging nach der Ausbildung auf ein Kreuzfahrtschiff und arbeitete dort als Tanzlehrerin." Nach einem Jahr wollte sie wieder festen Boden unter den Füßen haben und verließ das Schiff. „Die Saison auf dem Schiff ging damals immer bis Ende Oktober, die Saison bei den Tanzschulen begann seinerzeit jedoch im September. Die Stellen waren deshalb also schon alle vergeben. Nur in Aalen war noch eine Stelle frei. Also schaute ich auf der Landkarte nach, wo Aalen liegt, bewarb mich und blieb hier hängen". Nach fünf Jahren fasste sie den Entschluss, ihre eigene Tanzschule zu eröffnen. Ob Aalen oder Ellwangen, das stand zu diesem Zeitpunkt noch nicht fest, der Zufall nahm ihr die Entscheidung ab. Sie fand bei der Fahrschule Holzbauer in Aalen Räumlichkeiten und eröffnete vor 35 Jahren, im September 1983, ihre erste eigene Tanzschule. An fünf Tagen in der Woche erklangen in den Räumen Foxtrott-, Rumba- und Walzerklänge, an zwei Tagen konnte man theoretisches Fahrschulwissen erwerben. „Das war ein einziger Raum mit drei Säulen und einem Vorhang. Je nachdem, verschwanden hinter dem Vorhang die Utensilien

 

der Fahrschule oder die der Tanzschule und somit wurden entweder Vorfahrtsregeln gelernt oder getanzt." Bereits fünf Monate später eröffnete sie in Ellwangen eine Filiale. Nach einem weiteren Jahr fand Brigitte Rühl 1985 in der Stuttgarter Straße in Aalen passende Räume, die sie mit niemandem mehr teilen musste. Bis zum nächsten Umzug vergingen elf Jahre; 1996 kaufte sie das ehemalige Capitol-Kino in der Friedrichstraße 34. Das modern blaugrau gestrichene Gebäude ist seitdem Anlaufstelle für Tanzbegeisterte und solche, die es werden wollen, für Jugendliche, die wie ihre Stars tanzen wollen, für Brautpaare, die eine persönliche Choreografie für ihren Brauttanz möchten, für die, die tänzerisch etwas Neues ausprobieren möchten und für all diejenigen, die einfach nur Spaß an der Bewegung zur Musik und der sich daraus ergebenden Gesellschaft haben. Ob alt oder jung, ob mit oder ohne Handicap, für Brigitte Rühl stellte sich diese Frage nie. Seit über 30 Jahren ist sie mit dem Verein „Freunde schaffen Freude" verbunden, richtet für diesen Verein alljährlich ein Gaudi-Turnier aus, bei dem es den bekannten RÜHL-CUP, einen Wanderpokal, zu gewinnen gibt. Zahlreiche andere Veranstaltungen stehen ebenfalls auf dem Programm, deren Erlöse an regionale Vereine und Einrichtungen gespendet werden. „Ich habe das große Glück, in meinem Beruf mein Hobby ausleben zu können und ich sehe immer wieder, wie viel Freude und Glücksgefühle Menschen beim Tanzen empfinden. Ich hatte ursprünglich nicht vor, mich selbstständig zu machen, bin heute aber froh, dass ich es bin. So kann ich das, was mir wichtig ist, auch umsetzen." In den 35 Jahren, seit denen sie selbstständig ist, hat sie auch den Trainerschein für neurologische Rehablititation erworben samt Krankenkassenzulassung. Die ADTV-Tanzlehrerin Brigitte Rühl ist zusätzlich IHK-zertifiziert und darüber hinaus auch IHK zertifizierte Trainerin für Umgangsformen im Beruf. Seit rund 30 Jahren bildet sie junge Menschen zum/r Tanzlehrer/in (ADTV) aus und hat ein Gespür für Trends rund ums Tanzen. „Tanzen ist seit ein paar Jahren wieder voll im Trend. Das gilt sowohl für Standard-Tänze wie auch für Modetänze, die heute allerdings viel schneller wechseln als noch vor zwanzig oder dreißig Jahren.

 

Ende der 1980er Jahre lösten z.B. der Film Dirty Dancing und das Video zu Lambada regelrechte Tanzwellen aus. Ich kann mich noch daran erinnern, dass wir damals um 22:30 Uhr noch Lambada-Kurse anbieten mussten, um der starken Nachfrage nachzukommen. Es gibt immer wieder solche Wellen, aber die werden nicht mehr so extrem hoch und ebben auch schneller wieder ab. Derzeit sind es wieder bekanntere Tänze wie Discofox, Boogie-Woogie, Westcoast-Swing, Lindy Hop oder Salsa, die wieder „in" und nachgefragt sind und die man bei uns erlernen und tanzen kann." Brigitte Rühl organisiert auch Städtereisen und Ausflüge für ihre Tanzschulgäste, die großen Omnibusse haben jahrelang ihr Mann und sie gefahren, schließlich hat sie unter anderem dafür ganz regulär den Bus-und LKW-Führerschein erworben.

In den letzten 35 Jahren hat sie unzählige Tanzkurs-Abschlussklassen in die Welt des Erwachsenwerdens begleitet und ist manchen von Ihnen beim Brautwalzer-Kurs, beim Fortgeschrittenenkurs oder später dann beim Abschlussball der eigenen Kinder – der nächsten Generation – wieder begegnet. Aus den Reihen der Tanzkursteilnehmer kam auch der Wunsch, Turniertanz zu betreiben, um sich mit anderen Paaren sportlich zu messen. Das war seinerzeit aber nur möglich, wenn man Mitglied in einem Tanzsportclub war. Vor 31 Jahren hat sie deshalb den Tanzsportclub Aalener Spion gegründet, dessen Vorsitzende sie bis heute ist. Lachend und wie selbstverständlich antwortet sie auf die Frage, ob sie dort auch selbst tanzt: „Ich bin die Trainerin – das muss genügen." In ihrer Freizeit spielt Tanzen keine so große Rolle. Ihr Mann gehört eher zu denen, die technischen Hobbies anhängen und für die das Tanzen nicht an allererster Stelle steht. Er hat sie zwar von Anfang an bestärkt und unterstützt, hat die ersten und schwierigsten Jahre mitgearbeitet und mitgetanzt, sich dann aber auch gerne wieder aus der Tanzschule zurückgezogen, als genügend Mitarbeiter/Innen und Fachpersonal zur Verfügung standen.

Nach 35 Jahren ist die Tanzschule Brigitte Rühl in der Region zu einer regelrechten Institution gewachsen. Das aktuelle Kursprogramm ist breit gefächert und das siebenköpfige Team um Brigitte Rühl deckt mehr ab, als man von einer Tanzschule erwarten würde.