Im Reich der Uhren

Zu Besuch bei einer innovativen Uhrmacherwerkstatt der Region

Eine schmale Treppe, die in einen Raum im ersten Stock führt. An den Wänden hängen Uhren, auf den Tischen stehen welche, manche sind auseinandergenommen, manche liegen in den Schubladen und manche warten einfach nur darauf, abgeholt zu werden. Der Raum ist erfüllt vom Ticken der verschiedenen Uhren und über einer sitzt, in tiefer Konzentration mit einer Lupe vor einem Auge, ein junger Mann. Eero Qvick kommt aus Finnland und ist von Beruf Uhrmacher. Seit kurzem arbeitet er bei Juwelier Hunke in Ellwangen und kümmert sich um die Zeitgeber, die es mit der Zeit nicht mehr so genau nehmen. Viele der Uhren sind in die Jahre gekommen; manchmal sind sie nur etwas eingestaubt, teilweise sind sie defekt. Der 30jährige nimmt sich ihnen an. Zusammen mit seinen Kollegen ­Lothar Will, der seit 48 Jahren in der Uhrmacherwerkstatt in der Marienstraße 9 in Ellwangen arbeitet, Uhrmacherlehrling Tim Hunke und Geschäftsinhaber Andreas Hunke reparieren, zerlegen, reinigen, remontieren und regulieren sie Uhren jeder Art, damit man sich auf ihre Ganggenauigkeit wieder verlassen kann. Sie sind die Herren über die Zeit.

»Ich freue mich über jede Uhr, der ich wieder Leben einhauchen kann«, verrät Eero Qvick und ergänzt: »Ich habe einfach eine Leidenschaft für Rädchen, die ineinandergreifen, für ein Werk das tickt.« Nach dem Abitur bewarb er sich an der Kellosppäkoulu, der einzigen Schule für Uhrmacher in Finnland in Espoo, in der Nähe von Helsinki, wurde angenommen und machte aus seiner ­Begeisterung seine persönliche Berufung. Über die Schule, die eng mit Glashütte in Deutschland verbunden ist, kam er in die sächsische Uhrenmetropole und arbeitete beim renommierten ­Uhrenhersteller A. Lange & Söhne. Davor sammelte er im Rahmen eines Ausbildungspraktikums in Südengland im Swatch-Group-Service-Center erste praktische Erfahrungen. Nach drei ­Jahren in Glashütte zog es ihn in die Schweiz nach Biel. Beim Feinuhrenmacher Urban Jürgensen blieb er vier Jahre. Er arbeitete in der Produktion von hochwertigen Werken, war in der Montage, dem Einschalen und im Service tätig. »Weil ich mich außerdem schon immer für die Restauration von Uhren interessierte, besuchte ich zudem das K&W Watchmaking Competence Center im schweizerischen Le Locle«, erzählt er. Seinen Weg in die Region fand er über seine Frau, die aus Aalen stammt und nach Jahren wieder zurück wollte. Nicht zuletzt seine Vielseitigkeit, die von seinem umfassenden Wissen herrührt, machte es ihm leicht, beruflich Fuß zu fassen. »Ich habe es mit verschiedenen Marken und Modellen zu tun, mit modernen, alten und antike Uhren, es gibt immer etwas anderes zu tun. Mal sind es kleinere Reparatur, mal ist es eine aufwendige Restauration.«

Von mannshohen Standuhren, über Wanduhren und Regulatoren (Wanduhr mit Federaufzug, Pendel und einem Schlagwerk) , Stiluhren, Pendulen und Kuckuckuhren bis hin zu Taschenuhren und mechanischen Handaufzug- oder Automatikarmbanduhren; in der Uhrmacherwerkstatt sind schon so gut wie alle erdenklichen Modelle gelandet und fast alle haben danach wieder den Takt gefunden und richtig getickt. Die Kundschaft kommt aus der Region, nimmt aber auch gerne längere Anfahrtswege in Kauf denn: Uhrmacherwerkstätten sind rar geworden und das obwohl ­Uhren nach wie vor geschätzt und auch gerne vom Großvater an den Vater und an den Sohn weitergegeben werden. »Ein gutes Uhrwerk übersteht nicht nur Jahrzehnte sondern Jahrhunderte, ganz gleich, ob es sich um eine Taschenuhr, eine Armbanduhr oder eine Zimmeruhr handelt. Ein Werk ist immer ein Spiegel der Zeit aus der es stammt«, so Andreas Hunke, der seiner Uhren-Begeisterung wann immer es geht, freien Lauf lässt. Fehlt bei größeren Uhren ein Zahn an einem Rädchen, wird dieser ebenso ersetzt, wie für kleine Uhrwerke Verschleißteile besorgt und dann ersetzt werden. Gilt es ein gebrochenes Scharnier zu reparieren oder zu ersetzten, kommt die hauseigene Goldschmiedewerkstatt im Erdgeschoss zum Einsatz. Größter Feind eines Uhrwerks ist die Zeit. »Damit ein Uhrwerk zuverlässig und reibungslos läuft, muss es geölt und gefettet sein.

Wenn im Laufe der Zeit Staub eindringt, verharzen die Fette und Öle und das Werk läuft nicht mehr genau.« Passiert das bei Uhren, die sich über ein Pendel regulieren lassen, beginnt ein kleiner Teufelskreis. Ein kürzeres Pendel lässt das Werk zwar schneller laufen, ändern aber nichts an der eigentlichen Ursache. Erst nach einer gründlichen Überholung und eventuellen Reparaturen stimmt die Frequenz wieder – in der Regel geh sie dann aber immer noch falsch, meistens tickt sie dann zu schnell. »Man muss die Pendel neu einstellen und justieren. Das kann schon mal ein paar Tage dauern. Uhren machen Zeit nicht nur messbar, sie brauchen auch Zeit«, stellt Andreas Hunke fast schon philosophisch in den Raum. Hier hat jede Uhr eine Geschichte und eine Persönlichkeit, jede tickt anders. Genau deshalb nimmt sich jeder der Uhrmacher der einzelnen »Persönlichkeiten« an. »Es bedarf viel Konzentration und einer ruhigen Hand. Manchmal lege ich eine Uhr weg und widme mich einer anderen«, verrät Eero Qvick und lacht auf die Frage, wie viele Tassen Kaffee seine ruhige Hand verträgt. »Zwei Tassen am Tag und dann ist Schluss.« Selbst haben es ihm Tischuhren angetan. Seine Freizeit, soweit es die Familie zulässt, verbringt er derzeit mit der Reparatur und Restauration einer solchen. »Meine größte Freude ist die, wenn eine Uhr wieder läuft, ganz gleich ob das meine eigene oder die eines Kunden ist.«