Seit 24 Jahren Pflegemutter

Ulrike Rückle

Ulrike Rückle und Gerold Wenzel sind seit 35 Jahren ein Paar und leben in Lauchheim. Sie haben drei gemeinsame Kinder, zwei sind erwachsen. In den letzten 24 Jahren haben sie 35 Kindern übergangsweise ein Zuhause gegeben. Sie sind Kurzzeitpflegeeltern und arbeiten eng mit dem Jugendamt des Ostalbkreis zusammen. »Wenn Kinder in ihrer eigentlichen Familie nicht bleiben können, kommt das Jugendamt auf uns zu und wir springen dann übergangsweise ein. Maximal können wir zwei Kinder im Alter von 0 bis 12 Monate aufnehmen«, erzählt Ulrike Rückle. In der Regel bleiben die Kinder zwischen vier und acht Monaten. In dieser Zeit klärt das Jugendamt, wohin die Kinder danach kommen. Bestenfalls sind dann die Bedingungen in der ursprünglichen Familie so, dass sie wieder zurückkönnen. Andernfalls finden sie bei Dauerpflegeeltern oder in Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen einen Platz. In seltenen Fällen werden sie adoptiert.

Warum Kinder nicht bei ihrer leiblichen Familie bleiben können, hat viele Gründe. »Das kann Gewalt, Vernachlässigung oder Missbrauch sein. Daran denken die meisten zuerst. Es kann aber auch sein, dass die Mütter zu jung, und mit der Situation überfordert sind. Wir hatten auch schon Neugeborene von drogenabhängigen Müttern. Diese Kinder mussten nach der Geburt zur Entgiftung im Krankenhaus bleiben und kamen erst dann zu uns. Und auch das gibt es: alleinerziehende Mütter, die schwer erkranken, niemanden haben, der sich um das Kind kümmern kann und dann beim Jugendamt Hilfe suchen.« Anfangs hatten die beiden Kinder zwischen 0 und 14 Jahre, seit 2014 nehmen sie nur noch Säuglinge auf. »Wir sind inzwischen beide über 50. Unser Nachzügler ist gerade 12 und das genügt uns in Sachen Teenager«, erzählt Gerold Wenzel mit einem Augenzwinkern. Zum Zeitpunkt der Interviews hatten sie zwei Kurzzeitpflegekinder. Fläschchen machen, wickeln, spielen, in den Schlaf wiegen – Nestwärme geben. Dazu immer wieder Videos drehen, Fotos machen und die Mütter an der Entwicklung teilhaben lassen. »Wir beziehen die leiblichen Mütter, beziehungsweise die Eltern mit ein. Deshalb ist unser Haus für die Mütter oder die Eltern immer offen. Wir sind Kurzzeitpflegeeltern«, betont sie. Ulrike Rückle und Gerold Wenzel sind eines von rund 20 Paaren im Ostalbkreis, die Kinder in Kurzzeitpflege betreuen. »Dazu gibt es die Dauerpflege, dort bleiben Kinder,

 

bis sie volljährig sind und oft darüber hinaus, zum Beispiel während der Zeit der Ausbildung. Als drittes gibt es die Bereitschaftspflege. Das sind Pflegeeltern, die bei akuten Notfällen einspringen. Da kann die Polizei schon mal nachts um 3.00 Uhr anrufen und ein Kind bringen«, so Gerold Wenzel, der vor 24 Jahren den Anstoß gab, Pflegeeltern zu werden. Die beiden eigenen Kinder waren zu diesem Zeitpunkt sechs und neun Jahre. Als die Frage nach einem dritten Kind im Raum stand, kam das eine zum anderen. Über ein befreundetes Paar, das neben eigenen Kindern auch Pflegekinder hatte, war diese Art der Familie schon länger im Bewusstsein von Ulrike und Gerold. »Als wir wieder über ein drittes Kind sprachen, weil ich noch eines wollte, sagte Gerold: es wäre doch schön, wenn wir einem Kind, das Hilfe braucht, einen Platz in unserer Familie geben würden.« Der nächste Weg führte die beiden zum Jugendamt. Dort absolvierten sie nach einem Informationsgespräch den nötigen Vorbereitungskurs.


2000 nahmen sie ihr erstes Kind in die Familie auf. An das Kind und an das Gefühl erinnern sie sich noch ganz genau. Ebenso wie sie sich an jedes weitere Kind erinnern, das mal länger und mal kürzer in der Familie in Lauchheim lebte. Der kürzeste Aufenthalt war gerade einmal zwei Wochen. Für jedes Kind gibt es ein Fotoalbum mit Bildern vom Ankommen, von Momenten im Alltag und vom Abschied. »Das gehört für uns dazu.

 

Wir sind Kurzzeitpflegeeltern und wir sehen uns als Sprungbrett für das Kind, in ein hoffentlich besseres Leben. Das schönste ist für uns deshalb, wenn die Kinder wieder in ihre ursprünglichen Familien kommen und dort die Situation so geregelt ist, dass sie gut aufwachsen können.« Um den Kontakt mit der Mutter/beziehungsweise den Eltern aufrecht zu halten, gibt es Besuchstage, je näher der Abschied rückt, desto ausgedehnter sind diese. Selbst kommen die beiden mit den unausweichlichen Abschieden in der Regel gut klar. »Wir wollen, dass es dem Kind gut geht. Deshalb ist uns der stetige Kontakt zur Mutter, beziehungsweise den Eltern wichtig und deshalb geben wir dem Kind sein Lieblingsspielzeug, seine Kuscheldecke oder ein T-Shirt von uns mit. Das macht den Ortswechsel und den Wechsel der Bezugsperson für das Kind einfacher«, erzählt Ulrike Rückle.Dass dennoch alle 35 Pflegekinder, um die sie sich bis jetzt gekümmert hat, irgendwie doch auch zu »ihren Kindern« geworden, und ihr ans Herz gewachsen sind, räumt sie mit einem Lächeln ein. Zu ihrem 50 Geburtstag hat Gerold Wenzel deshalb alle Pflegekinder eingeladen, zu denen das Paar noch Kontakt hat. »Das hat mich sehr gefreut. Es sind einige gekommen und es war schön zu erfahren, was aus ihnen geworden ist. Es ist ein wunderbares Gefühl zu wissen, dass wir unseren Teil dazu beigetragen haben, dass sie heute im Leben Fuß gefasst haben und teilweise schon eigene Familien haben.« Pflegeeltern sein, ist für die beiden eine Herzensangelegenheit. Mit der

 

Entscheidung Kindern in Not ein Zuhause zu geben, hat sie ihren Beruf als technische Zeichnerin aufgegeben. Gerold Wenzel arbeitet als Freiberufler viel von zuhause aus und unterstützt seine Partnerin in allem. Für jedes Kind gibt es eine Art erweitertes Kindergeld. Damit müssen die Pflegeeltern alles abdecken. Essen, Kleidung, Spielsachen, Pflegeprodukte, Fahrten zum Arzt und vieles mehr. »Das macht man nicht wegen des Geldes. Das macht man, weil es Kinder gibt, die Hilfe brauchen. Und weil es ein tiefes und gutes Gefühl ist, etwas Sinnvolles zu tun.« Wann das nächste Kind zu ihnen kommt, ist nur bedingt absehbar. Manchmal steht schon vor der Geburt des Kindes fest, dass es danach direkt zu ihnen kommt. Manchmal erhalten sie einen Anruf vom Jugendamt und dann geht es schnell. Ulrike Rückle und Gerold Wenzel würden sich jeder Zeit wieder dafür entscheiden Pflegeeltern zu werden und Teil eines wichtigen Netzwerkes in Zusammenarbeit mit dem Jugendamt Ostalbkreis zu sein.

Für alle, die sich dafür interessieren gibt es regelmäßige Info-Veranstaltungen vom Jugendamt.Besteht dann immer noch Interesse, folgt der Vorbereitungskursus. Bei den Vorbereitungskurs bringt sich Ulrike Rückle als erfahrene Pflegemutter mit ein. Ihre Erfahrung ist für viele eine wertvolle Hilfe bei der Entscheidung, einem Kind, das nicht in seiner ursprünglichen Familie bleiben kann, ebenfalls ein liebevolles und sicheres Zuhause zu geben.

Mehr Info für Interessierte:
Allgemeine Informationsveranstaltung
für Pflegeeltern
20.06.2024 im Landratsamt
Beginn 19:00 Uhr
Aus organisatorischen Gründen ist
eine Anmeldung erforderlich
jugendundfamilie.gd@ostalbkreis.de